Es war in einem grauen Monat, Februar oder März glaube ich, da stellte der
diensthabende Arzt im Krankenhaus bei mir eine lebensbedrohliche Diagnose. Es
wurde mir angeraten, mit der notwendigen Operation nicht allzu lange zu
warten. Was nun, was wird mit meinem Kater? Ein vierwöchiger
Krankenhausaufenthalt war zu erwarten, zusätzlich eine Reha von vier Wochen,
alles andere wollte ich nicht denken. Ich wollte leben, ich war doch gerade erst
fünf Monate verheiratet. Doch ich musste denken, denn ich hatte zu diesem
Zeitpunkt gerade ein Geschäft übernommen und im vergangenen Jahr
geheiratet. Ich war also gezwungen, ein Testament zu machen und alle
Eventualitäten klar zu definieren. Es war für mich eine Zeit des jüngsten
Gerichtes. Doch ich musste mich jetzt um meinen Kater kümmern.
Ich fuhr mit ihm zum Tierarzt, um mich über die Möglichkeiten zu informieren,
den Kater unterzubringen. Er sagte, die Möglichkeit wäre direkt im Anschluß an
seine Praxis zu haben. Kater Oskar bekam eine Impfung, um ihn für die
Käfighaltung vorzubereiten. Schrecklicher Gedanke, dieses verzärtelte Biest im
Käfig zu wissen, es würde schrecklich für ihn. Doch man möge mir verzeihen, ich
wollte ihn nur sicher unterbringen. Der Rest der Gedanken gingen diesmal für
mich drauf. Meine Mutter darum zu bitten war mir damals noch unmöglich, denn
sie hatte ihre Abneigung gegenüber Tieren, speziell gegen Katzen, bei mir immer
ganz deutlich heraushängen lassen. Beim Abschiedsbesuch bei meiner Mutter
wendete sich dann plötzlich das Bild. Im Angesicht der ernsthaften Situation und
der eventuell entstehenden Kosten erbot sie sich, in unserem Haus bei Kater
Oskar zu bleiben. Nun konnte ich beruhigt zu der Operation nach Marburg reisen.
Was meine eigene Situation anging, war ich alles andere als beruhigt.
Gottseidank begleitete mich mein geliebter Mann Bäri, doch war es Trost und
Angst zugleich, daß ich dieses eben erlangte Glück schon so bald wieder verlieren
sollte. Bis dahin hatte ich nie so eine bedrohliche Situation erlebt. Mein Geist
blieb so flüchtig bis zu dem Zeitpunkt meiner Operation, daß ich mich an gar
nichts genau erinnern kann, alles blieb nur schemenhaft, erdrückend lastete der
Gedanke der Operation auf mir. Man mußte mir den Schädel öffnen und dann
noch zwei Tage künstliches Koma, meine Angst war unendlich. Doch irgendwann
durfte ich dann doch wieder aufwachen. Welch ein seltsames Gefühl - zurück
unter den Lebenden - mit einem geschorenen Kopf. Aber ich lebte! Dieses
Glücksgefühl war nicht zu überbieten. Nachdem meine Konstitution ein wenig
gestärkt war, fuhr mein geliebter Bäri zurück zu meiner Mutter, um ihr von
meinem Gesundheitszustand zu berichten.
Zurück in der Heimat wurde er von meiner Mutter freudig begrüßt, denn sie
hatte zu seiner Rückkehr etwas Leckeres zum Mittagsessen bereitet, unter
anderem auch Schokoladenpudding. Von nun an wird es wieder eine Geschichte
von unserem Kater. Denn wie wir Katzenfreunde wissen, lieben Katzen alle
Speisen, die nicht für sie bestimmt sind, so auch unser Kater Oskar. Er sah die
drei Schüsselchen Pudding mit dem Sahnehäubchen, den Oma Hildegard extra
für den "reizenden Schwiegersohn" bereit gestellt hatte, und begann zu
schlemmen. Hier ein bißchen Sahne, dort ein bißchen Schokoladenpudding und
so weiter. Als endlich in alle Portionen ein Loch gefressen war, zog er sich
befriedigt zurück. Dieses kommentierte Oma Hildegard mit dem erschreckten
Ausruf "Du bist wohl katholisch, Du Felix", scheuchte den Kater von der Eckbank
und war entrüstet. Doch eigentlich hatte er bei ihr schon gesiegt, nach meiner
Rückkehr hieß er nur noch "Puttchen" und ich hatte das Gefühl, als würde er
gleich platzen. Ich wurde dann nach und nach aufgeklärt, daß sie mit dem Kater
morgens immer so gemütlich gefrühstückt hat. Rindfleischsuppe mochte er auch
sehr gern, besonders die Nüdelchen, das stärkt die alten Knochen. Sie, die Mutti
und der Kater, der von nun an Puttchen hieß, hatten auch ein neues
Mittagsschlafritual erfunden. Puttchen schlief auf dem wärmsten Platz, auf dem
Wohnzimmerschrank ganz oben und Oma Hildegard auf dem Sofa. So geschah
es, daß ein Mensch, der mit Tieren, insbesondere mit Katzen nichts zu tun haben
wollte, Zuneigung zu einem Tier gefunden hat.
© 1997 Chris Jäger
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