Meine erste Reise nach England

Diesen Reisebericht habe ich im Bürgerfunk des Herner Lokalradios unter dem Titel "England" als eigenständige Sendung veröffentlicht.

Erinnerungen an England, zweiter Versuch.

Es war einmal eine Frau, die wollte eine Geschichte schreiben über eine Reise, über die sie sich schon eine lange Weile gefreut hatte. Endlich sollte es mal nicht in den Winterurlaub, sondern nach England gehen. Sie hatte eine wunderbare Geschichte über diese Reise fertig geschrieben und machte dann einen Fehler. Der Computer schluckte all ihre liebevollen Worte, die sie ihrer Traumreise zugedacht hatte. Aber auch diese Tatsache konnte sie nicht daran hindern, diese wundervollen Tage in Gedanken noch einmal zu erleben.

1. Tag: Mit dem Bus zum Bus nach England
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Die Koffer waren gepackt und nach dem Frühstück fuhren wir, mein Mann und ich, mit dem öffentlichen Bus bei strahlendem Sonnenschein in die Stadt zu unserem Treffpunkt am Herner Rathaus. Vor dem Rathaus befand sich bereits die kleine Gruppe unserer Mitreisenden. Nachdem wir uns begrüßt und das Gepäck in den Anhänger des kleinen Busses der Stadt Herne gepackt hatten, ging es endlich los. Der Fahrer, Hans Linscheid, mußte noch zum Bahnhof in Wanne-Eickel fahren, um die restlichen Mitreisenden einzusammeln. Nachdem auch dieses geschafft war, ging es endlich auf die Autobahn Richtung Rotterdam, meinem erwünschten Ziel näher. Unterwegs machten wir noch eine Kaffeepause, eine gute Gelegenheit, sich noch ein bißchen näher zu beschnuppern. Wir tranken in Ruhe eine Tasse Kaffee und besuchten auch noch einmal die Toiletten. Derart gewappnet ging es dann wirklich zum letzten Stück der Fahrt nach Oostende über.

Bitte Anklicken für eine größere Darstellung Dann endlich Rotterdam, man müßte das Wasser schon riechen können, aber es war ganz anders. Ich sah einen großen Parkplatz . Dann wurde es ein wenig rummelig, unser Fahrtenleiter, Herr Wolfgang Sperr, sagte, er müßte unsere Personalausweise einsammeln, denn gleich ginge es an Bord. Ich habe bis dahin noch gar kein Schiff gesehen, dachte ich. Doch genauso übergangslos sollte es weitergehen. Wir warteten, bekamen unsere Personalausweise zurück und gingen dann völlig stressfrei weiter. Die Ausweise wurden kontrolliert und es ging wieder weiter, ganz ruhig. Plötzlich merkte ich nach einem langen Gang, daß der Boden unter meinen Füßen vibrierte. Wir waren an Bord. Aufregend, dachte ich, ein Haus auf dem Wasser. Nun bekamen wir unsere Kabinen zugewiesen und machten uns dann schleunigst an Deck. Die Norsun hatte schon abgelegt und dennoch waren die berühmten Möwen zu sehen, die immer da sind, wenn ein Schiff an- oder ablegt, sagt man. Ruhelos schlenderten alle immer wieder auf dem Schiff herum. Für mich hatte es etwas ganz besonderes, denn es war mein erstes Mal auf See. Ich war noch nicht so satt wie die meisten Menschen in dieser Zeit. Meine erste Seereise, wenn auch nur eine Überfahrt. Ich habe noch gar nicht erzählt, das ich eine Bordkarte bekommen hatte. Diese sollte alsbald zum Einsatz kommen. Es wurde Abendbrotzeit. Alle Passagiere drängten sich an einer mit einer Kordel markierten Stelle. Aha, dachte ich, dahinter mußte es sein. Richtig, zwei Stewards lösten die weinrote Kordel und der Tanz um das Buffett begann. Zuerst einmal nahmen wir alle an kleinen Tischen Platz. Die Stewards gingen herum und nahmen die Bestellungen auf für die Getränke. Dann erhoben sich einer nach dem anderen, um an das Buffett zu gehen. Ich muß dazu bemerken, daß es eine reichliche Auswahl gab. Da ich nicht so große Ansprüche an die Menge der Speisen hatte, schwelgte ich rein optisch. Doch es gab nicht nur Früchte des Meeres und Käse, auch Obst war reichlich vorhanden. Bei fröhlichem und zudem harmonischen Geplauder ging das Mahl zu Ende.

Wir verließen den Speisesaal und gingen noch ein wenig an Deck spazieren. Das Meer lag bleigrau vor uns, eigentlich ein unheimlicher Anblick. Es wurde mir kalt und die Strapazen der Hinfahrt taten das ihrige. Ich überredete meinen Mann, ins Schiffsinnere zu gehen. Wir machten noch ein paar Runden durch das Innere und trafen dann auf ein paar Mitreisende, die sich bereits an einen Glas Bier oder einem Glas Wein erquickten. Wir fragten, ob wir uns dazusetzen durften. Es war genehm und wir verbrachten den Rest des Abends wieder einmal bei harmonischen Geplauder. Ich werde es wohl noch des Öfteren erwähnen, denn dieses Verhalten ist mir von der Gruppe, mit denen wir bisher gereist sind, nicht bekannt. Dann beschloss man im allgemeinen, die Kabinen aufzusuchen. Wir schlossen uns an. Nachdem wir in der Kabine waren, erzählte mir mein Mann Hartmut noch einige Schauermärchen von Schiffsuntergängen, so daß ich lange Zeit nicht einschlafen konnte. Dennoch geschah es irgendwann und ich wurde erst wieder von den weckenden Worten des Stewards wach. Er sagte die Zeit und sonstige Informationen an in den drei gängigen Sprachen

2.Tag: Hull in Sicht und eine Fahrt in den Peak District

Beim Anblick des Frühstücksbuffettes konnte ich fast die "Kreuzfahrer" verstehen. Schon dieser göttliche Kaffeeautomat. Übrigens, der Kaffee war wirklich gut und der Rest keine Frage. Nach dem wirklich gemütlichen Frühstück sahen wir Hull. Grau, ungemütlich, hässlich. Nach dem Packen unserer Kleinigkeiten zur Übernachtung kam die Ausschiffung an die Reihe. Einige kleine Formalitäten und ehe man sich versah, war man schon draußen. Das erste, was ich sah, war ein englisches Taxi. Ich war begeistert. Mein Mann fotografierte es für mich. Direkt hinter dem Taxi kam auch Herr Linscheidt mit dem kleinen Bus. Wieder einmal klappte es alles mit dem Einsteigen und so weiter, wie ich es schon positiv bemerkt habe, reibungslos.

Bitte Anklicken für eine größere Darstellung Der Fahrtenleiter erzählte uns nun, wo wir hinfahren. Ich bin aber so beschäftigt, dieses England anzuschauen, daß ich gar nicht bemerkte, wie wir vor einem Haus parkten. Jetzt erst nahm ich die Umgebung war, es sah aus wie im Sauerland, war aber England. Selbst das Hotel "Ye Derwent" in Bamford sieht aus wie ein Bauernhaus im Sauerland, ist aber ein englisches. Irgendwas geschah, unser Fahrtenleiter führte ein Gespräch. Nun sollten wir aussteigen und unser Gepäck in Empfang nehmen. Wir Frauen durften untätig sein, ich genoß das. Nach einen geraumen Weile der Untätigkeit teilte man uns mit, daß die Zimmer noch nicht fertig seien. Wir schauten uns derweilen den Garten an, der dem eigenen Garten recht ähnlich sah. Dort gab es Bänke, Tische und Gartenstühle. Das sah alles recht einladend aus. Wir nahmen auch Platz und kurz darauf kam eine Bedienung und fragt uns, was wir trinken wollten. Ich glaube, ich trank damals ein Glas Cider. Ich habe das für unheimlich englisch gehalten. Nachdem ich mich schon ein bißchen langweilte, kamen einige Personen hinzu, die ich nicht kannte. Unser Fahrtenleiter kannte sie aber. Er begrüßte die Personen herzlich. Eine von Ihnen hieß "Moira". Englisch, sehr englisch! Wir begrüßten sie dann alle. Es war auch noch ein Mann mit dem Namen Jeff Armstrong dabei. Er sah noch nicht so alt aus. Ich fragte ihn deswegen nach meinen Lieblingsengländern: "PinkFloyd". Er kannte sie und antwortete mir mit einem Lächeln. Wir plauderten noch eine Weile, und dann sollte es auf eine Wanderung gehen. Für die Wanderungen hatten wir uns extra unseren schönen Wanderschuhe aus Südtirol mitgenommen.

Jeff stellte sich als sehr guter Wanderführer zur Verfügung. In keinem Moment war ich traurig, daß ich diese Schuhe mitgeschleppt hatte. Wir hatten ein ziemliches Stück Weg zu überwältigen. Es ging permanent aufwärts. Auf dem Hochplateau im Peak District angekommen hatte man einen wunderschönen Blick auf einen See namens "Lady Bower". Das prächtige Sonnenwetter unterstrich dabei die Schönheit der Landschaft. Zum Ärger derjenigen, die sich nicht so gut vorbereitet hatten, ging es dann auch noch steil und rutschig bergab. Danach trudelten wir ganz langsam auf einen Pub zu. Für mich war das der erste Besuch in einem englischen Pub in meinen Leben. Wir haben eine Kleinigkeit gegessen und getrunken. Mit den Gastgebern haben wir auch noch einige Gespräche geführt. Die anderen Mitglieder der Gruppe kannten die beiden Ehepaare schon besser.

Harmonisch ging dieses Treffen zu Ende. Wir machten uns auf den Rückweg. Schließlich hatten wir ja auch noch nicht unsere Zimmer bezogen. Im Hotel angekommen, kümmerten wir uns dann einmal um unser Gepäck. Wir sortierten einige Dinge ein, machten uns etwas frisch und wollten dann zum Abendessen gehen.

Das Abendessen sollte sich etwas schwierig gestalten. Man hatte sich im Hotel bemüht, auf die deutschen Gäste einzugehen. Nicht zu meiner Freude hatte man die Speisekarte mit Kartoffelgerichten reichlich ausgestattet. Na ja, es war ganz einfach, etwas herauszufinden ohne Kartoffeln. Das Bezahlen sollte danach auch noch zum Problem werden. Die Dame des Hauses wollte alles gemeinsam kassieren. Aber unser Fahrtenleiter hat dieses Problem ganz schnell geregelt bekommen.

Aber mich interessierte dieses Speisezimmer. Überall waren Bilder vom zweiten Weltkrieg aufgehängt. Besonders bemerkenswert waren die Bilder mit die Zerstörung der Möhnetalsperre. Als kleines Mädchen hatte ich einmal einen Schulausflug dorthin unternommen. In Deutschland hatte ich noch nie solche Bilder gesehen, vor allen Dingen nicht in der Öffentlichkeit. Sollte mein Vater Recht gehabt haben, als er sagte: "Für den Tommy ist der Krieg noch nicht zu Ende."? Von diesen abendlichen Gedanken geleitet, nannte ich fortan dieses Speisezimmer die "Bomberbude".

Ja, Zimmer. Die Zimmer waren etwas gewöhnungsbedürftig. Die Toilette war auf dem Flur, und über dem Waschbecken war kein Spiegel zu finden. Gottseidank habe ich immer einen kleinen Standspiegel bei, um das notdürftigste geregelt zu kriegen. Getoppt wurde das alles von dem Schlafkomfort. Die Betten bestanden aus einem Sprungfederngitter. Auf welche Seite man sich auch drehte, es war beinhart. Humoristisch zu bemerken ist, daß wir schon wieder abreisten, als ich mich gerade an die Unannehmlichkeiten gewöhnt hatte. Die nächste Unterkunft entschädigte mich aber sehr. Vor allen die in England übliche Teeküche. Das war schon fein..

3.Tag: Auf dem Markt in Bakewell und das Herrenhaus von Chatsworth

Die Nacht im Ye Derwant war sehr unruhig, denn es waren Raben in der Nähe und diese können sehr laut sein. Doch für mich war das alles uninteressant, denn ich wollte England erleben. Zum Frühstück bekam ich schon wieder Gelegenheit dazu. Diese gegrillten Tomaten und vor allen Dingen, ein kleines Reibeplätzchen: So begann mein Kartoffel-Schicksal in England. Aber ich hatte ja meinen Ehemann dabei, der glättete alle Wogen der Speisekarte. Zusätzlich gab es auch noch etwas völlig interessantes beim Frühstück im Ye -Derwant. Erstens erinnerte mich dieses Speisezimmer fatal an die Erzählungen meines Vaters. Aus diesem Grunde nannte ich dieses Zimmer die Bomber-Bude. Überall an den Wänden hingen Fotografien aus dem zweiten Weltkrieg. Sie zeigten die Bombardierungen von Deutschlands strategisch wichtigen Punkten. But, long ago and far away. Wichtiger in diesem Moment des Frühstückes war zweitens der Bestandteil des Müslibuffetts mit dem Namen Wetta-Bix. Das war neu für mich, mein Mann beschied es mit dem Namen „Spanplatte“.

Unter freundlichem Geplauder verging das Frühstück und wir machten uns bereit für die Fahrt zu dem Ort Bakewell. Es war ein kleiner verträumter Marktflecken. Nachdem wir den Bus verlasen hatten, gingen wir in den engen Gässchen einher, um die Geschäfte zu betrachten. Ich wollte auch partout sofort Ansichtskarten. Wie auf einem Schulausflug, dachte ich. Ich fand auch nach kürzester Zeit ein geeignetes Geschäft und erstand auch für mich ausreichend Karten. Unsere Reiseleitung sagte uns dann, wir sollten uns doch ein bißchen allein umsehen und teilte uns die Uhrzeit mit, in der wir uns am Bus einfinden sollten. Jetzt ging es erst einmal richtig los. Nachdem wir noch so einen tollen Hutshop besucht hatten und einer unserer Mitreisenden sich einen Mafia-Hut gekauft hatte, und der Rest der Damen von den englischen Rennplätzen und den dazugehörigen Hüten schwärmten, machten wir uns davon.

Da war ein Wochenmarkt, der war auch fast wie zu Hause, doch man konnte Caramelbonbons am Stück kaufen. Das hatte ich noch nie gesehen. Es wurde so geschnitten wie bei uns lose Butter. Doch ich sah auf einmal viele Kühe in Gattern eingepfercht und wollte sofort danach sehen, denn ich habe eine Vorliebe für Kühe. Jetzt erst hatte ich den Sinn des Marktes erfasst: Es war ein Viehmarkt! Diese Tiere sollten verkauft werden. Ich drängelte so lange bis ich den Eingang gefunden hatte, zog meinen Mann hinter mir her und hatte endlich den Geruch von Stall und Mist, der das Landleben ausmacht.

Bitte Anklicken für eine größere Darstellung Wir standen in einem Rund von unbewegten Gesichtern. Schlichte Menschen, die gebannt den Worten eines Redners lauschten. Mich hat der Sing-Sang der Stimme des Redners (Auktionators) so fasziniert, daß ich lange verweilte, bis ich den Sinn der Ansprache verstanden hatte. Mein Mann mußte mich dann hinauskomplimentieren und anderen Dingen meine Aufmerksamkeit abluchsen. Ein Bummel über den normalen Markt tat diesen Dienst. Wir kauften uns übrigens sonnengelben Vorhangsstoff, den ich in Deutschland nie gefunden hätte. So hatte ich eine schöne Erinnerung an Bakewell.

Es sollte aber noch ein tolles Erlebnis kommen. Um den Stallgeruch aus dem Hals zu bekommen, beschlossen wir einen Tee trinken zu gehen. Intuitiv wählte ich das für meinen Geschmack genau richtige. Es war eine kleine Teestube mitten drin im alltäglichen Geschehen. Zwei Ladys mit den Frisuren von Laureen Bacall bedienten hier sehr forsch ihre Gäste. Meine Gedanken kreisten: Erst die Bomberbude, dann dieses Café hier, gleich kommt Humphrey Bogart herein und es spielt die Glenn Miller Band. Bogart kam nicht herein, aber die Glen Miller Band spielte im Radio. Verträumt nippte ich an meinem weißen, süßen Tee. So ein Erlebnis. Mein Mann weckte mich aus meinen Träumen mit den Worten: "Wir müssen bald zum Treffpunkt zurück. Wenn Du noch etwas kaufen willst, dann müssen wir jetzt los." Ich besorgte noch ein paar Briefmarken und eine echte englische Geburtstagskarte für meinen Mann, ganz alleine.

Nach dem wir alle wieder im Bus Platz genommen hatten, ging es los zu dem Herrensitz Chatsworth. Das war ja schon wieder mal was für mich. Ich sollte auch wieder einmal, wie auf der ganzen Reise, nicht enttäuscht werden. Wir hatten zudem noch prächtiges Wetter und konnten dadurch die Parkanlagen rund um den Herrensitz ausgiebig genießen. Aber erst einmal hinein in diesen Palast. Das ist England, dachte ich immerfort. Kostbare Wandmalereien, Skulpturen, Kleinodien. Von einem Begeisterungstaumel in den anderen fallend, wagte ich einen der Herren, die livriert an den Türen standen, zu fragen, ob es einen Geist in diesem schönen Schloss gäbe. Ich wurde mit der Antwort beschieden: "We never got a ghost here." Punkt. Ende des Traumes. Enttäuscht schwebte ich eine kleine Treppe hinab, sorgsam darauf achtend, das ich mir nicht auf die imaginäre Schleppe trat. Nach den wunderschönen Eindrücken wurden wir auch noch durch einen kleinen Verkaufsraum geführt. Es waren auch sehr hübsche Dinge dabei, nicht nur Touristenkram. Ich erstand für meinen Mann eine Krawatte aus reiner Wolle, weil er mich darum gebeten hatte, ihm eine Strickkrawatte zu kaufen. Jetzt hatte er sie und wehe, er legt sie nicht um. Doch dieses Stück sollte uns noch in diesem Urlaub Freude bereiten.

Jetzt aber ins Freie. Auf uns wartete ein herrliches Wetter und ein noch herrlicherer Park. Beeindruckend war immer wieder die Größe. Wir durchforsteten ein Labyrinth, wir bestaunten Wasserkaskaden und erfreuten unsere Nasen an den Gerüchen im Küchengarten. Der Photoapparat verhalf uns zu einigen weiteren Bildern von wirkliche schönen Hintergründen, wie zum Beispiel der Orangerie und der Serpentinenhecke.

4.Tag: Ein Kalb, Haddon Hall, ein Einkaufszentrum und die Ankunft in Wakefield

Nach dem Packen unserer Habseligkeiten sollte es nach einem Ausflug nach Wakefield gehen. Die Koffer wurden alle nach einem gemütlichen Frühstück im Anhänger des Busses verladen. Wir wollten nach Haddon Hall, einem Landsitz, der lange Zeit unbewohnt war. Wir konnten das Haus noch nicht besichtigten, weil wir zu früh dort ankamen. Das habe ich aber gar nicht richtig wahrgenommen, weil ich in meinen eigenen Gedanken versunken war. Bisher hatte ich jeden Tag genossen, so ließ ich mich auch in diesen Tag fallen. Es war herrliches Wetter und wir machten einen kurzen Spaziergang standen auf herrlichen grünen Wiesen mit Schafen und Schäfchen. Ja, ein paradiesisches Bild bot sich uns dar. Nachdem noch so manches "schau nur wie niedlich" von unseren Damen ausgesprochen war, kehrten wir langsam um unter angeregtem Geplauder zum Standort des Busses zurück.

Bitte Anklicken für eine größere Darstellung Zum Ende unserer ‚Warteschleife' bot sich noch ein ganz und gar für uns Städter ungewohntes Bild. Eine Kuh hatte ein Kalb gesetzt, höchstwahrscheinlich vor wenigen Stunden. So ein winziges Kalb hatte ich nie zuvor gesehen. Da meine Vorliebe sowieso den Rindviechern gilt, war ich besonders entzückt. Ich konnte mich kaum abwenden. An diesem Punkt muß ich der Gruppe, in der ich mich befand, wieder einmal ein Lob aussprechen. Es waren zwar nicht alle besonders entzückt, doch jeder von ihnen war in der Lage, dem, dem es besonders gefiel, sein Erlebnis genießen zu lassen. Fast in jeden Punkt war ich von der Stimmigkeit dieser Gruppe begeistert. In einer solchen Begleitung macht das Reisen Spaß.

Zurück zu den Erlebnissen. Wir versammelten uns, denn es sollte nach Haddon Hall gehen. An diesem Tag hatte ich nicht die besondere Lust, etwas zu besichtigen. Es war ein sehr altes Gemäuer. Die Karten waren nun erstanden und nun ging es in den Burghof. Der Herr, der uns führen sollte, kannte Herne. Sein Vater war der Erbauer der BaptistenKirche in Herne an der Manteuffelstraße. Er fragte in die Runde, ob jemand ihm da eine Auskunft geben könnte. Bingo, dachte ich. Die Tante meiner Großmutter hatte eine Menge mit den Baptisten in Herne zu tun. Der Enkel des Fremdenführer hatte einen Computer und Internetzugang. Das interessierte wiederum meinen Mann und so kam es zu einem Kontakt. Wir versprachen ihm, eine E-Mail zu senden, falls wir etwas in Erfahrung bringen würden.

Bitte Anklicken für eine größere Darstellung Nach diesem kleinen Intermezzo, ging es dann auf zu der Führung. Mein Mann war von Haddon Hall sehr begeistert. Es gab dort einige interessante Artefakte. "Nicht mein Tag", dachte ich. In diesem Moment betraten wir eine mittelalterliche Küche. Sie war wiederum wunderschön rustikal. Da ich sehr gerne Brot backe, war ich begeistert von einem hölzernen Tisch, der eine Aushöhlung in der Mitte hatte. Ich knete in den meisten Fällen nur ein Kilo Mehl mit den notwendigen Zutaten und betrachte diese Tätigkeit als Frustrationsabbau. Bei dieser Delle im Tisch müssen es ganz große Frustrationen gewesen sein.

Danach betrachteten wir die Kapelle, das machte mich besonders traurig. Auf einem weißen Sarkophag lag eine schmale weiße Frau aus Marmor. Von dieser Minute anging mir das Lied "My Lady Dàrbanville" von Cat Stevens nicht mehr aus dem Kopf. Seltsam, was jeder wohl für sich selbst empfindet, dachte ich. An das Essen denke ich immer nicht, so aber wohl meine Mitreisenden. Ein gedankenvoller Abschied aus Haddon Hall für mich.

Ach ja, runter von dem finsteren Trip, let´s go shopping Meadow Hall in Sheffield. Ankom-men und dann durch die pulsierenden Gänge eines Einkaufszentrums. Ich hatte mir, glaube ich, braune Sandaletten gekauft, die mir sehr gefielen.

Wie schon bemerkt, wollten wir nach Wakefield. Nach einer für mich interessanten Fahrt nach Wakefield kamen wir an und nahmen Quartier im "Travel-Inn", eine typische Außen-dienstmitarbeiterabsteige. Es war vom Feinsten. Die Betten nicht abgenutzt, eine Klasse Nasszone und die tolle kleine Teeküche. Wir richteten uns häuslich ein und verabredeten noch das abendliche Treffen im hauseigenen Pub. Nach der üblichen Auspackorgie wurde es so langsam Zeit, etwas zu sich zu nehmen. Die Küche in dem Haus war in zwei Kategorien unterteilt. Einmal vom Feinsten und Umständlichsten, und zum Zweiten in der Bar die Möglichkeit zu einem Snack. Wir wählten die zweite Möglichkeit.

Wir fanden eine relativ junge Umgebung vor. Einige Mitglieder unserer Gruppe hatten an einem runden Tisch schon Platz genommen. Sie versuchten uns einige Tipps zu geben, was man hier so essen könnte. Wir wählten ein Sandwich. Es sah sehr appetitlich aus. Versunken im Gespräch bemerkten wir erst gar nicht, daß einige englische Freunde dazugestoßen waren. Aber es war auch das erste mal für uns beide in dieser Gruppe. Man stellte uns vor, und erleichterte mir den Kontakt zu einer hier anwesenden Engländerin. Ihr Name war Jean und der ihres Ehemannes war alltags Bill, sonntags aber William, wie er humorvoll erklärte. Es waren sympathische und intelligente Menschen. Versehen mit dieser für mich anstrengenden Unter-haltung verging der Abend wie im Flug.

5.Tag: Skulpturen im Park, die Kathedrale von Wakefield und eine Ruine

Bitte Anklicken für eine größere Darstellung An diesem Tag sollten wir das Glück haben, die Symbiose aus Natur und Kunst kennenzulernen. Wir fuhren also zur Henry Moore Stiftung in den Yorkshire Sculpture Park. Auf dem Gelände sollten sich sehr wichtige Skulpturen von Moore befinden. Es ist jetzt schon so viele Jahre her, und dennoch sehe ich mich immer noch an der für mich interessantesten Skulptur. Es ist eine starke Frau, ihre Stärke und die mächtigen Wiesenflächen haben eine wahnsinnige Ausstrahlung. Diese Kunst in der freien Natur wird nicht nur mir, sondern mit mir vielen Menschen ein großes Ereignis gewesen sein. Auch die Leiterin dieser Ausstellung wird mir für immer in Erinnerung bleiben. Sie war eine warmherzige und intelligente Frau.

Nach dem Yorkshire Sculpture Park fuhren wir gemeinsam in die Innenstadt von Wakefield. Mit meinem Mann zusammen erkundete ich das relativ neue Einkaufszentrum Riding Center und wir sahen uns die Kathedrale an. Zum Abschluß des Tages fuhren wir gemeinsam noch in den Stadtteil Sandal, in dem eine recht alte Burgruine steht. Sandal war ziemlich langweilig. Mein persönliches Interesse erschöpfte sich darin, daß es der Wohnort von diesem außergewöhnlich sympatischen Ehepaar Ingrid und Derek Wilson war. Die beiden hatten durch ihr Mitwirken den Aufenthalt in England sehr bereichert. Wir haben sie angeschaut und mussten dazu einen für England hohen Berg besteigen. Ja, und ein Ententeich war auch da, der von den Jugendlichen zu den Wochenenden für den Wassersport genutzt wurde. Gemessen an den anderen Aktivitäten empfand all das als ziemlich farblos.

Das sollte ein gemütlicher Abend nach den Mühen des Tages werden,. Es begann ganz harm-los im Pub des Travel Inn. Wir bestellten uns etwas zu trinken und plauderten gemütlich. Nach einer gewissen Zeit kam mir die großartige Idee, die hier anwesenden Herren, die sicher im Umgang mit ihrer Krawatte Erfahrung hatten, zu fragen, wie man eine Krawatte bindet. Mein Mann ist ein Krawattenmuffel und nun war er im Besitz der in Chatsworth erstandenen Wollkrawatte. Mit dieser Frage hatte ich einen Wettstreit ausgelöst. Jeder der Herren bemühte sich, die von mir erstandene Krawatte aus reiner "Inselwolle" nach ihrer, natürlich der besten Methode, zu binden. Es war aber auch kein Herr dabei, der nicht mitgemacht hatte. Es war eine große Männerfamilie, die der hier anwesenden unwissenden Frau gern erklärten, wie man den "Windsor-Knoten" bindet. Amüsant, dachte ich. Ich verkaufe ja Herrenkonfektion, aber, den Krawattenknoten habe ich noch keinem Herren recht gebunden. Ich vermute stark, daß dieses ist eine Frage der Ehre ist.

Dann hatte ich mir auch noch einen Rüffel eingehandelt. Mein Mann war den ganzen Abend beleidigt, denn er fühlte sich vorgeführt. Selbst nachdem ich diesen Text zum zweiten Mal in Angriff nehme, bin ich nach wie vor der Meinung, daß es nicht der Fall war. Denn, ich habe meine Unwissenheit zur Schau gestellt. Ich als Verkäuferin von Herrenmode hätte wissen müssen, wie man einen "Windsor-Knoten" bindet. Ich wusste es aber nicht, denn ich habe aus diplomatischen Gründen dieses immer den Herren überlassen. Wenn dann doch einmal je-mand ins Geschäft kam, der völlig unwissend war, hatte ich auch immer Kollegen, die es sowieso besser wußten. Also Fazit: "Es ist eine Frage der Männerehre!" Na ja, auch dieser Abend fand den üblichen Abschluss, fröhlich, unverbindlich und ich glaube, auch müde, denn wie ich schon sagte, es war ein anstrengender Tag.

6.Tag: York, das Münster in York und der Pub Wakefield Arms

An dem heutigen Tag sollten wir das Minster in York besichtigen. Es war auch sicherlich sehr interessant. Doch ich war auf einer Sprachreise. Wir betraten das Minster und schauten uns einiges an unter der sachkundigen Leitung einer Deutschen aus Dortmund, da verspürte ich nach einer halben Stunde das Gefühl, eine Toilette aufsuchen zu müssen. Gesagt, getan. Ich erklärte meinem Mann, wo mich der Schuh drückte und entwand mich der Gruppe. Erst fragte ich an der Kirchentür den Herrn, der dort Broschüren verkaufte, ob sich in diesem ehrwürdigen Haus, durch welches sicherlich schon tausende von Menschen geschleust worden sind, Toiletten befänden durch die Standardfrage: "Were are the toiletts, please?" Er weist mit seinen greisen Hand aus dem Gebäude heraus um eine Ecke. "Gut", dachte ich, die Mengen Tee verfluchend, die ich jeden Morgen wider besseren Wissens verschwinden ließ, "dann suche ich eben selbst eine Toilette." Ich schaute die Straße hinauf und hinab, endlich kreuzte eine junge Familie meinen Weg. Ich schaute in die freundlichen Gesichter und formulierte meine Frage erneut. Ich hatte ein ungeheueres Glück, sie suchten die selbe Örtlichkeit. Glücklich mit meinem Problem nicht allein zu sein, folgte ich ihnen. Nach dem ich mich artig für ihre Hilfe bedankt hatte, suchte ich aus eigener Kraft wieder das Minster und fand es auch. "Jeden Tag ein neues Abenteuer", dachte ich. Ich war auch völlig stolz auf mich, das mir dieses ‚Event' ganz eigenständig gelungen ist.

Danach ging alles für mich etwas unruhig zu , doch irgendwann kamen wir an einem Punkt an, an den ich mich gern erinnere. Es war eine Kirche mit Tischen und Stühlen, einem Buffett und Kleidern und Taschen und Modeschmuck. Ich war mit dem Anschauen völlig beschäf-tigt,. Aber wir sollten ja hier eine Futterpause machen. Also drängte ich mich mit den anderen an das Buffett und genoss die außergewöhnliche Atmosphäre. Ich wählte irgendwas, auf alle Fälle war Tee dabei. Wir gingen mit Gudrun und Wilfried Priebe an einen Tisch. Zu uns gesellte sich eine Mitreisende mit einem Tellerchen, das ein Stück Kuchen zierte. Ihre dunk-len Augen schauten traumverloren zu den Kuchen und leise sagte sie "Carameltorte ist mein Verderben. Jede meiner Diäten scheitert daran". Es war eine angenehme Runde und wir sollten am heutigen Tag noch viel Spaß haben. Nach unseren kleinen Imbiss entschlossen wir uns für das angebotene Wikingermuseum.

Eine wirklich tolle Sache, dieses Yorvik Viking Museum. Ein Museum mit Gerüchen , Geräu-schen und Bewegungen. Nach dem Lösen die Karten wurden wir in einen kleinen dunklen Raum geschickt, der mich ein wenig an die Geisterbahn erinnerte. Schon hörten wir ein Wägelchen heranrollen, wir nahmen Platz und wurden rückwärts in die Wikingerwelt hineingefahren. Wir sahen kleine Dorfszenen, Hühner, Gänse, spielende Kinder, arbeitende Frauen. Seeleute saßen in einer Kneipe und tranken. Auch reparierten sie Taue und seemännische Werkzeuge. Also ein reges Leben und Treiben. Ich war fasziniert. In Deutschland habe ich so etwas noch nie gesehen. Am Ende unserer kleinen Fahrt durch den dunklen Stollen bekamen wir noch Originalfunde aus dieser Zeit vorgeführt. Die Ausgrabungen fanden genau hier statt: Nachdem wir alles wirklich interessiert angesehen haben, betraten wir einen Raum, der einige Mitbringsel beinhaltete, zum Beispiel Wikingerkarten, Töpfe und Krüge der Zeit nachempfunden. Ich fühlte mich wie beim einem Klassenausflug, strebte von Mitbringsel zu Mitbringsel und dann fand ich das Übergeschenk. "Gudi", rief ich, "hier ist ein Regal mit deinem Namen: Gudrun. Willst du das nicht mitnehmen?" "Ich würde es ja gerne mitnehmen, aber Wilfried will es nicht tragen." lautete Gudruns Antwort. Unter gegenseitigen Frotzeleien verließen wir das Museum. Danach hasteten wir alle nach ‚Marks and Spencers' Kaufhaus, um das ultimative Bild vom Minster zu machen. Oh, what a nice day!

Bitte Anklicken für eine größere Darstellung Da fällt mir doch gleich auch noch "Betty´s" ein. Es passt sehr zu dem vorherigen Gefühl und dem beschriebenen Lifestyle. So ein schickes Teehaus. Schon von außen konnte es beeindru-cken. Im Inneren ließ auch nichts zu wünschen übrig. Hinter einer bordeauxroten, mit Gold durchwirkten Kordel mussten wir artig warten, bis man uns einen Tisch zuwies. Dann begann das Teeritual. Ich wählte einen Assam, dunkel mit Milch, dazu einen Fruitcake. Deliziös. Es wurde eine gelungene Teeparty. Im Ausgang hatte man noch die Gelegenheit, sich ein Souve-nir aus diesem wirklich anspruchsvollen Teehaus mitzunehmen. Ich tat es und erinnere mich immer wieder gerne an dieses typisch englische Erlebnis, wenn ich die Teedose mit dem Namen "Betty´s" aus meinem Küchenregal hole.

Nach einem angenehmen und erlebnisreichen Vormittag in York sollte es diesen Abend in den Pub "Wakefield Arms" gehen, um eine Jazzband zu hören. und einen typischen englischen Abend zu erleben. Nach langen Überlegungen wählte ich das blaue Kostüm. Doch im Pub angekommen war es gar nicht so eine steife Angelegenheit. Es war ein ziemlicher kleiner Raum und die größte Fläche davon war mit den Instrumenten der Jazzband belegt. Das Publi-kum war eher gar nicht oder extrem unenglisch, wie ich später erfuhr: Polen. Doch wir knud-delten uns erst einmal in eine Ecke und bestellten uns dann etwas zu trinken.

Der Pub füllte sich so langsam und aus der Menge heraus kristallisierten sich die Bandmitglieder. Wie in einer großen Familie nahmen sie ihre Instrumente auf und begannen fröhli-chen Dixieland zu spielen, das Eis war gebrochen. Ich fühlte mich sehr wohl und wäre gerne bei der Musik ein bißchen herumgeflippt, doch: "Sorry, no bonus". Dennoch hatte ich eine Chance, diesen Abend für mich in einer Erinnerung zu gestalten. Im Ye-Derwant, von mir die Bomberbude genannt, hatte ich schon immer die Veteranen-Radio-Sendungen vom BFBS in Erinnerung. Da die wenigen Engländer, die heute Abend erschienen waren, ganz genau das Alter hatten, wünschte ich mir als Deutsche den Song "We'll meet again" von der englischen Sängerin "Vera Lynn", die Engländer nannten sie zärtlich "Sweatheart". Königin Elisabeth hat sie später geadelt. Sie trug bis zum Ende ihres Lebens den Titel "Dame". Mein Wunsch war, die Menschen zum Mitsingen zu bringen. Vor allen Dingen die englischen Freunde. Der Bandleader war verzweifelt, weil es so ein altes Lied war und er die Noten nicht hatte. Dennoch brachte es die Band zuwege. Ich hörte mich fast alleine singen, doch als ich mich nach Mitsingenden umsah, spürte ich verlegene und doch auch dankbare Blicke der Senioren. Ich konnte mich des Eindruckes nicht erwehren, daß die alte Feindschaft noch vorhanden war. Mein Mann dagegen sagte mir hinterher, daß ich doch einige der englischen Gäste mehr oder weniger vom Barhocker gerissen hätte. Es ist eben alles relativ. Danach erfüllte mir die Band noch zwei musikalische Wünsche und zwar "Am I blue" und " Sorry for loving you, Babe"

Doch lassen Sie mich weiter von der Band erzählen. Mein Lieblingsinstrument in solchen Formationen ist die Zugposaune. Sie wurde ausgezeichnet von dem ältesten Bandmitglied gespielt (er hat sich im Jahr 2001 von dieser Welt verabschiedet, möge er im Himmel weiter musizieren dürfen. "God bless him"). Dann noch der Drummer, er hätte in einer erstklassigen Rockformation seinen Platz behauptet. So verwehte der Abend mit Erinnerungen an eine Zeit, die nicht meine Zeit war, und in der Begeisterung bei der Musik. Wir verabschiedeten uns nach ein paar vergnüglichen Stunden.. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie wir ins Travell-Inn gekommen sind. Wir wollten eigentlich laufen, um unseren freundlichen Fahrer zu entlasten, aber unser englischer Freund Ernest Andrassy, jetzt Percival ("The good old chap") war es, der uns dann in seinem Auto ohne Scheibenwischer heim gebracht hat.

7.Tag: Empfang beim Deputy Mayor, Harrogate

Heute sollten wir beim Deputy Mayor empfangen werden. Auch dieses empfand ich mit einer gewissen Spannung. Selbst die sonst eher sportlichen Herren hatten heute zum Empfang die Krawatten angelegt. Wir fuhren mit dem Bus zur Town-Hall. Wir waren etwas zu zeitig vor Ort. Im Bereich der Anmeldung wartete wir ein Weilchen. Wie meist nach dem Frühstück, zudem ich wie immer zu viel Tee getrunken hatte, hielt ich es für ratsam, die Toilette aufzusuchen. Ich fragte eine der hier anwesenden Bediensteten, wo eine solche zu finden wäre. Sie geleitete mich zur Personaltoilette, dann verschwand sie mit einem freundlichen Blick. Mein Problem aber begann mit dem Verlassen der Toilette. Hohe finstere Gänge, unfreundliche dunkle Türen, und alles verblüffend mit sich selbst ähnlich. Nach welcher Tür sollte ich nun den Gang hinuntergehen? Kurzum, ich wußte es nicht mehr. Desto mehr freute ich mich, als ich einen Aufzug sah. Ich betrat ihn, drückte den bezüglichen Knopf und wartete geduldig, bis sich dieses Vehikel bewegen sollte. Doch es bewegte sich nicht. Ich wartete dennoch, vielleicht war dieser Aufzug alt. Nachdem ich so eine Weile gewartet hatte, zog ich in Erwägung, wieder auszusteigen, das ging aber nicht. Dann schaute ich die Knöpfe an, ich dachte: "Nimm den roten". Dennoch bewegte sich nichts. Verzweifelung machte sich breit, es wurde mir etwas wärmer und ich sah alle mir bekannten Katastrophenfilme vor meinem geistigen Auge. Auf Grund dieses Tatsache reagierte ich jetzt panisch: Ich trommelte an die Tür und rief um Hilfe. Mir war bewußt, daß es doch niemand hören würde, denn der Gang da draußen war menschenleer, doch ich trommelte und schrie weiter. Nur nicht aufgeben. Nach einer geraumen Zeit in meiner großen Angst erschien ein Frauengesicht durch die Glastüren. Sie machte mir ganz sachlich klar, daß dieser Aufzug "out of order" sei und öffnete von außen die Tür für mich mit Geisterhand. "Befreit", dachte ich und trat benommen von diesem unge-wollten Erlebnis in den Gang. Ich bedankte mich noch kurz, und lief unter ihrer Anleitung zurück zu unserer Gruppe. Sie wollten gerade aufbrechen , weil jetzt der Empfang stattfinden sollte.

Bitte Anklicken für eine größere Darstellung Die Gruppe war jetzt mit anderen Dingen beschäftigt, aber meinem Mann erzählte ich später von meinem Abenteuer. Wir wurden jetzt zu einem Raum geführt und gebeten, Platz zu neh-men. Es war wieder alles dunkel, wie es üblich ist in einer Amtsstube. Die Tür öffnete sich und ein kleiner Mann in einer mittelalterlichen Robe betrat den Raum. An seiner Seite war eine Dame mit einem Hut, wie er zu Ascot passen würde. So einen Hut hätte ich auch gerne besessen, wie wohl jede Frau. Hüte von diesem Ausmaß haben eine gewisse Faszination. In seiner Begleitung war noch einer kleiner sportlicher Mann mit einer Uniform. Er wandte zuerst das Wort an uns und erklärte seine Funktion als Assistent des stellvertretenden Bürgermeisters. Dabei war besonders interessant das von ihm getragene Zepter, der vom "Bommy-Knocker" (einer Abart des Morgensterns) abstammt und immer die jeweilige Machtposition darstellte). Ich fand es außerordentlich interessant, weil solche Insignien bei uns nicht üblich sind.

Bitte Anklicken für eine größere Darstellung Nach allen Reden wurde unserem Drängen nachgegeben, einige Fotographien machen zu dürfen. Nach dem Fototermin hat man uns Tee und Kaffee angeboten und verteilte kleine Gastgeschenke. Ich hatte aber etwas anderes im Sinn. An der Kaffeekanne stand eine Frau. Sie erschien mir sympathisch, ich sprach sie in ihrer Sprache mit meinem holperigen Englisch an. Sie antwortete mir ohne jeden Spott über meine sprachlichen Fehlgriffe. Unter anderem bat ich sie nach dem langen Gespräch, ihr schreiben zu dürfen. Sie sagte zu, gab mir ihre Anschrift und versprach mir zu antworten. So endete dieser Vormittag und ich hatte sehr viele interessante Dinge erlebt.

Nach diesem interessanten Vormittag fuhren wir unter Führung von Ingrid und Derek mit dem Bus in den alten Badeort Harrogate, einem Kurort, in dem die Zeit anscheinend stehen geblieben ist. Sein Charme hielt mich von ersten Augenblick in Atem. Es war alles so alt und vom Hauch der englischen Aristokratie umweht. Es beeindruckte mich sehr. Wir hatten auch das Vergnügen, durch des fundierte Wissen des Ehepaars Wilson einige wirklich interessante Antiquitätenhändler zu besuchen. Faszinierend, was meinen Sinnen dort begegnete. Ich möchte dann immer ein Zimmer mit einem der wirklich imponierenden Stücke, die zu mir sprechen, möblieren. Ja, das war Harrogate, ein Hauch von Glanz und Gloria. Daneben wirkten die wunderschönen Wallflowers in der herrlichen Parkanlage eher bescheiden. Verständlich schien mir daher, das die Upper Class gerne dort verweilte, um sich zu erholen. Wie immer hatten wir ‚Tee and Bisquit'.

8.Tag: Good bye Wakefield, Fahrt nach Beverley und die Rückfahrt nach Hull

Nach dem ausgezeichneten Frühstück war es dann Zeit, auf Wiedersehen zu sagen. Wegen der Bequemlichkeit wählte ich als Bekleidung meinen grauen Hosenanzug. Zum Abschied waren die englischen Freunde tatsächlich erschienen. Ernest hatte eine große Tüte Bonbons mitgebracht. Er war der humorvollste von allen. Auch da bestimmte wieder diese Schulausflugatmosphäre die Abreise. Es war wunderschön, einsteigen, winken und losfahren.

Vor unserer eigentlichen Abreise aus Wakefield sollten wir noch einmal die Zeit und die Gelegenheit haben, noch einmal das neueröffnete Einkaufscenter in der Innenstadt zu besuchen. Einige wollten auch noch ein paar Mitbringsel kaufen. Wir unter anderem auch. Es sollte etwas ganz Spezielles sein. Der berühmt scharfe Senf "Colemans Mustard". Daher liefen wir erst einmal planlos durch die Einkaufsmeilen. Nachdem ich bemerkt hatte, daß wir auf verlorenem Posten waren, beschloss ich, ein Ehepaar zu fragen. Ich schaute mir ein möglich harmloses Paar aus und formulierte dann die Frage: "Good morning, may I ask you ...". Das Paar wandte sich um, und ergriff regelrecht die Flucht. Ich drehte mich enttäuscht um und suchte meinen Mann. Mit Tränen in den Augen erzählte ich ihm, daß die Engländer aber unfreundlich seien. Er fragte mich, was ich denn gesagt hätte. Ich berichtete ihm immer noch fassungslos, was geschehen war. Daraufhin schaute er mich an und sagte: "Du hast einen Hosenanzug an und hast in einem sehr korrekten Englisch etwas gefragt. Sie hielten dich für eine Vertreterin oder so etwas ähnliches. Kein Grund zu weinen, Du hast so korrekt gespro-chen, daß sie Dich für eine Engländerin gehalten hatten, die ihnen nur etwas verkaufen wollte." Genau in diesem Moment blieb das Ehepaar stehen und sah zu uns herüber. Ich lief schnell hin, und sie gaben mir die Chance, meine Frage noch einmal zu formulieren. Nach-dem wir das von ihnen beschriebene Kaufhaus erreicht hatten, erhielten wir den von uns gewünschten Senf. Zum Abschluß nach diesem Stress genehmigten wir uns noch einen "Tee for Two".

Da wir noch Zeit hatten, kündigte unser Fahrtenleiter noch den Besuch eines kleinen Städtchens mit dem Namen 'Beverly' an. In Beverly sollte ein Wochenmarkt stattfinden. Wir hätten Zeit, uns den Markt und die interessanten Gebäude anzusehen. Nach einer kleinen Weile hatten wir Beverly erreicht. Vom Bus aus konnten wir schon die belebte Straße erken-nen. Nach einer vorherigen Absprache mischten wir uns in das muntere Treiben. Der erste Punkt war eine alte Kirche. Bei dieser Kirche hatte ich das Gefühl, eine alte Kirche ist wie die andere alte Kirche. Deshalb verweilten wir auch nicht lange. Zurück auf die Straße. Dort fanden wir wieder Marktstände und ich schaute interessiert alles an. Bemerkenswert war für mich ein Straßenmusiker, er hatte eine Melodika, in Deutschland ein Kindermusikinstrument. Er hatte es aus Blech nachgebaut, und die Töne, die er diesem Instrument entlockte, waren außergewöhnlich. Mich erinnerten sie an die Musik der 40ziger Jahre. Oder an uralte Tonträ-ger. Unsere stets hungrigen Freunde sollten auch noch die Gelegenheit eines Snacks bekom-men. Auch wir fanden einen kleinen Imbiss, für mich gab es meinen geliebten Fisch und für meinen Mann "chips without fish".

Bitte Anklicken für eine größere Darstellung Bald war die ganze fröhliche Gesellschaft am kleinen Reisebus wieder versammelt. Wir nahmen Platz und unser Fahrer machte sich auf den Weg zur Fähre in Hull. Es war später Nachmittag und viele, mich eingeschlossen, freuten sich schon auf das reichhaltige Abend-Buffett auf der Fähre. Es war das gleiche Ritual wie auf der Hinfahrt. Für mich war es jetzt schon nicht mehr so spannend. Auspacken, umsteigen, Kontrollen über sich ergehen lassen, Kajüte beziehen. Danach Rundgang auf den Decks. Dann wieder die rote Kordel und der Tanz um das Buffett begann. Es war reichlich und köstlich. Natürlich war es eines der Höhe-punkte der Überfahrt, denn zu Hause muß ich die Rohkost selbst zubereiten. Wieder ein gemütlicher Abend sollte folgen. In der Bar spielte ein Pianist irgendwelche Lieder, das war relativ langweilig. Einige von uns hatten die Idee, den Pianisten zu fragen, ob er ein gewisses Lied kennen würde. Er kannte es und spielte es an. Ich hatte große Freude daran, denn ich singe so schrecklich gern und begann mitzusingen. Natürlich nur leise. Das hörten einige holländische Mitreisende und forderten mich auf, lauter zu singen. Ich beendete dann auch das Lied mit lauter Stimme. Die Stimmung wurde besser und einer unserer Mitreisenden sagte zu mir: "So jetzt tanzen wir einmal zusammen". Das war lustig, denn der Herr war sehr groß. Angetan vom Wein und der Stimmung, kamen einige von uns auf die Idee, das verbliebene Kleingeld hier an der Theke auszugeben. Da mußte ich dann auch dringend mitmachen. Ich gab zu bedenken, daß dieses ein feierlicher Moment war, den man gebührend begießen müss-te, für mich natürlich mit ‚Schampus'. Die Mehrzahl wollte lieber Schnaps, doch man gab meinem ausgeflipptem Vorschlag nach. Alle schütteten ihr Kleingeld auf den runden Tisch und eine versierte Mitreisende machte sich buchhalterisch präzise über die Geldreste her. Nachdem es sortiert und gezählt war, gingen wir mit einigen Freunden zur Theke und fragten nach den Kosten für eine Flasche Sekt. Es stellte sich heraus, dass unser Geld nicht reichte. Doch mit einem Schmunzeln nach einer kleinen Weile rückte der Steward mit der Flasche raus. Natürlich brauchten wir auch noch sehr viele Gläser. Als dann alles an Organisation erbracht war, erhoben wir feierlich und fröhlich unsere Gläser und tranken auf den letzten Abend an Bord der Norsun. Irgendwann, nachdem wir unser Chaos ein wenig geordnet hatten mit den vielen Gläsern, bedankten wir uns bei der Thekenbesatzung und gingen doch alle sehr müde zu Bett.

9.Tag: Das Festland hat uns wieder

Nach einer ruhigen Nacht weckte uns wieder der internationale Ruf des Stewards. Dann wieder Frühstück. Ach ist das schön, wenn man das nicht selber machen muß. Doch jetzt genug geschwärmt. Klamotten zusammengerafft und runter von Bord, Kartenkontrolle und fertig war der Spuk.

Ja, das Festland hatte uns wieder. Mit der Sicherheit eines Klasse-Autofahrers chauffierte uns Hans Linscheidt nach Deutschland. Mit den notwendigen Pausen sind wir irgendwann in der Mittagszeit in Herne und Wanne angekommen. Ich kann nur sagen, mir hat es großartig gefallen. All die Dinge, die ich noch nie gesehen hatte, und die interessanten Dinge die unser Fahrtenleiter arrangiert hatte, rundeten das Bild ab. Wir fahren jetzt im zweiten Jahr nicht mit, und ich vermisse es sehr. Ich hoffe für mich, daß die nächste Fahrt nicht wieder am Geburtstag meiner Mutter stattfindet. Denn ich möchte so gern wieder nach Wakefield reisen.

©Chris Jäger, im März 2002


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